Posse oder Versagen

Sind die Sicherheitsbehörden rassismusfrei?

Diese Frage kann man sich stellen, wenn man die Gelegenheit hatte die Verhandlung wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht Schwetzingen zu verfolgen.

Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Ein Schwetzinger Bürger zahlt in einem Kreditinstitut in Schwetzingen einen Bußgeldbescheid aus einem Parkvergehen und beschwert sich über diesen Strafzettel in einem Gespräch mit einem Bekannten, der ebenfalls in der Warteschlange vor dem Schalter stand. Wer zahlt schon gerne ein Bußgeld. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein. Doch jetzt fängt es an skurril zu werden.

Ein in der Schlange am Nachbarschalter stehender Schwetzinger ordnet die Äußerungen des Strafzettelzahlenden als Beleidigung des Schwetzinger OB ein. Wohlgemerkt, außer ihm hat das niemand in der Schalterhalle so wahrgenommen. Nun aber bricht in ihm das Rechtsempfinden durch und er sieht in den nur von ihm wahrgenommenen beleidigenden Äußerungen eine Beleidigung von ganz Schwetzingen. Da die Angestellten in dem Kreditinstitut diesen Kunden nicht zurechtwiesen, wird er nun tätig. Der empörte Bürger verfolgt den Kunden, um seinen Namen und seine Adresse herauszufinden. Er fragt die Angestellten nach dem Namen. Und er erhält auch Auskunft! Die Personenbeschreibung des angeblichen Täters durch den Anzeigenden zeigt, dass der empörte Bürger an Xenophobie leidet. Der Bußgeldzahlende wird auf Grund seines äußeren Erscheinungsbildes und seiner Gestik als Mensch mit Migrationshintergrund beschrieben, seine Gestik zum Milieu gehörend geschildert. Der Anzeigende kennt ihn aber nicht persönlich. In der Verhandlung wird er später erklären, dass ein solcher Mensch nicht einen Oberbürgermeister und einen Bürgermeister, und damit alle Bürger Schwetzingens beleidigen darf.

Schließlich stellt er später Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Mannheim gegen den Schwetzinger Bürger. Die Staatsanwaltschaft gibt den Vorfall an die Schwetzinger Polizeidienststelle weiter. Soweit alles in Ordnung.

Aber nun wird es noch skuriller. Der Polizeibeamte befragt die Bankangestellten. Beide geben zur Aussage, solche Äußerungen nicht gehört zu haben, welche der Anzeigende gehört haben will. Man nimmt Bilder der Überwachungsanlage zur Akte. Zum Beweis, dass der Beschuldigte wirklich in der Sparkasse war.

Außer dem Anzeigenden hat niemand beleidigende Äußerungen des Bußgeldzahlers gehört.

Was macht nun der Polizeibeamte? Er ruft im Sekretariat der Stadtverwaltung an und berichtet der Sekretärin von der angeblichen Beleidigung. Der OB und der Bürgermeister stellen nun ihrerseits Strafantrag, als Betroffene der nicht erfolgten Beleidigung. Da es sich bei dem Straftatbestand der Beleidigung um ein Antragsdelikt handelt, müssen die Opfer den Strafantrag stellen. Dies haben der OB und der Bürgermeister gemacht, im guten Glauben, dass der Hinweis des Polizeibeamten zutreffend und ausreichend nachweisbar ist.

Die Staatsanwaltschaft im Besitz der Ermittlungsunterlagen beantragt einen Strafbefehl über 300,00 €.

Der Beschuldigte legt Widerspruch ein. Es kommt zur Gerichtsverhandlung.

Die Richterin am Amtsgericht ermittelt nun sorgfältig. Aber aus dem, was bereits in der Akte steht, gibt es keine neuen Erkenntnisse. Die Tatsache, dass der Beschuldigte als ausländischer Staatsbürger und nicht als deutscher Staatsbürger, und dass seit mehr als 30 Jahren, bezeichnet wird, tut sie leichtfertig ab!

Welches Motiv hatte der ermittlende Beamte dies falsch darzustellen?

Der Zeuge verstrickt sich in Widersprüche. Immer wieder kommt der Hinweis des Zeugen auf den für ihn offensichtlichen Migrationshintergrund des Beschuldigten. Der Zeuge ist der Einzige, dem dies auf Grund der Äußerlichkeiten auffällt.

Das Verfahren endet nicht mit einem Freispruch, sondern mit der Einstellung des Verfahrens. Sämtliche Kosten, auch die Kosten des Beschuldigten, gehen zu Lasten der Staatskasse.

Abschließend muss man sich doch die Frage stellen, inwieweit sind Voreingenommenheit, Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit in unseren Sicherheitsorganen vertreten.

Wie kann ein Polizeibeamter den OB und den Bürgermeister dazu bringen, gegen besseres Wissen Strafantrag zu stellen? Die Antwort sollte der Leser für sich finden.

Es liegt ein Auszug aus der Akte vor, in in dem der Polizeibeamte daraufhinweist, dass er, der Polizeibeamte, per Telefonat den Oberbürgermeister und den Bürgermeister über den Sachverhalt informiert habe. Diese haben dann als Betroffene Strafantrag gestellt.

Es stellt sich die Frage: Wenn eine Stadtverwaltung auf bloßen Zuruf eines Polizeibeamten eine so schwerwiegende Entscheidung trifft, Strafantrag zu stellen, ohne den Sachverhalt überprüft zu haben, macht sie das dann auch bei – für die Stadt – wichtigen Entscheidungen?

Ist das ein gutes Qualitätsmangament oder nur Aktionismus. James Dean´s Film „Denn sie wissen nicht was sie tun“ hat hier wohl Pate gestanden.

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