Showdown ums Kanzleramt
|Ein Artikel von Dieter Goldschalt…
Kampf ums Kanzleramt: Schlammschlacht, Fair Play oder Scharade?
In Wahlkampfzeiten entdecken die Wahlbewerber die Kommunen. Die Bürger werden mit Flyern und nichtssagenden Aussagen zugemüllt. An jeder Ecke stehen Sonnenschirme und die Helfer versuchen Menschen für sich zu gewinnen. Mal mit Sachaussagen, mal wird nur ein Flyer in die Hand gedrückt. Vier Wochen vor einer Wahl sind sie omnipresent. In der Zeit nach der Wahl glänzen sie wieder durch Abwesenheit.
Kann man in der Politischen Auseinandersetzung von Fair Play sprechen? Wohl kaum. Es geht hier um Deutungshoheit, letztlich um Macht. Wenn sich die Kandidaten nur unwesentlich in ihren Sachaussagen unterscheiden, bleibt nur das Desavouieren (in der Öffentlichkeit bloßstellen; nicht anerkennen, verleugnen, in Abrede stellen) des Gegners. Das Hauptargument der CDU lautet eine Linksregierung zu verhindern, so die Aussage am CDU-Stand. Ein schwaches Parteiprogramm. Im Übrigen ist dies gleich zu setzen mit Scholzens Forderung aus dem Jahre 2001, dass sich die SPD vom demokratischen Sozialismus verabschieden solle. Dies wurde dann von der Regierung Schröder/Fischer umgesetzt und gipfelt in der Feststellung von Schröder im Jahre 2005, dass man gegen viele Widerstände einen effizienten Niedriglohnsektor in Deutschland etabliert habe. Weiß das denn niemand mehr? Die Kandidaten und die angeschlossen Parteien vertreten doch nur in Nuancen unterschiedliche Zukunftsziele und die Bürger sind doch nur notwendiges Übel. Man braucht ihr Votum.
Also was bleibt? Die persönliche Diffamierung der Anderen. Wer nicht die bürgerliche Mitte, wer ist das überhaupt, wählt wird in die Ecke Kommunismus, gleich Linksdiktatur, gestellt. Schade um unsere Demokratie. Wer hat noch den Mut Auseinandersetzungen in der Sache zu führen? Max Weber hat vor mehr als 100 Jahren die Eigenschaften eines Berufspolitikers oder eine Berufspolitikerin beschrieben mit den Worten Augenmaß, Leidenschaft und Verantwortungsbewusstsein. Wer hat diese Eigenschaften, Laschet, Scholz oder Baerbock? Oder wer kommt diesen Eigenschaften am Nächsten? Der hat die Befähigung zum Kanzler oder Kanzlerin. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft. Eine gemeinsame Zukunft, die diesem Begriff auch gerecht wird. Es geht um die Gleichbehandlung aller gesellschaftlichen Gruppen. Es darf kein Auseinanderdiffundieren von Bürgern auf der anderen Seite und Wirtschaft auf der anderen Seite geben. Dies wird aber konsequent betrieben. Nur gemeinsam, mit gemeinsamen Rechten und Pflichten wird es in der Zukunft, dem Morgen, gehen.
Bei den Trielen, einem Dreikampf von angeblichen gleichen Partnern, wird deutlich, dass es eigentlich heißen müsste: Duell plus. Zwei Männer beharken sich mit persönlichen Anwürfen, bleiben inhaltlich sehr vage, wenn nicht sogar ganz leer, und das Plus, Frau Baerbock, in dem Duell wirkt Drapiert, ein hübsches Beiwerk.
Die Wahlkampfauseinandersetzungen sind mehr geprägt von Halbwahrheiten und Unwahrheiten. Bei sachlichen Rückfragen wird mit nichtssagenden, vagen Floskeln geantwortet.
Die Bewerber bewegen sich auf dem schmalen Pfad der gegenwärtigen Meinung ihrer jeweiligen politischen Richtung. Das gilt für alle Parteirichtungen. Wer weiß von den Bewerbern etwas von Wilfried Schreibers Rentenreform-Gutachten aus dem Jahr 1957, welches die Basis unseres heutigen Rentensystems ist. Wer kennt den Begriff des „Eckrentners“, welches seit 2004 Grundlage der heutigen Rentenberechnung ist. Wer kennt den Begriff des Äquivalenzrentners. Wer kennt das Ahlener Programm der CDU? Motto dieses Programms war: CDU überwindet Kapitalismus und Marxismus. Die Grundaussage auf der ersten Seite lautet: „das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Weiter heißt es in zweiten Absatz: Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll dem deutsche Volk eine Wirtschaft- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“ Wie weit sind die heutigen Protagonisten der CDU von diesen Leitsätzen entfernt? Nach Auffassung der ABS, meilenweit. Wo ist die SPD der Brandt-Jahre. Frieden durch Annäherung. Mitbestimmung und Bildungsreform waren nicht nur Schlagworte, sondern wurden umgesetzt. Staat und Gesellschaft wurden vor der Brandt-Ära als gegensätzliche Pole eines Gemeinwesens wahrgenommen. Nicht zuletzt durch die damalige Notstandsgesetzgebung. Brandt wollte mehr Demokratie. Die FDP unter Scheel verabschiedeten die Freiburger Thesen, aber wer weiß das noch. Wir denken, kein heutiges FDP-Mitglied. Und ging es uns gut? Ja, uns ging es gut, auch mit einem wesentlich höheren Spitzensteuersatz und einer Vermögenssteuer. Dahrendorf forderte in seiner vielbeachteten Rede “eine Gesellschaftspolitik der Liberalität”, in deren Mittelpunkt nicht Sicherheit, sondern Offenheit stehen müsse. Darunter verstand Dahrendorf eine Politik, die den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gab, ihre durch die Verfassung und die Gesetzgebung garantierten Rechte auch tatsächlich wahrzunehmen. Können wir das heute noch. Es zeigt sich ein erschreckendes Bild, dass Bürger ihre vom Staat garantierten Rechte gerade gegen diesen Staat einklagen müssen. Der Staat ist ein Gebilde, das von allen Bürgern gebildet wird. Damit ist unvereinbar, dass in einer demokratischen Gesellschaft, die geprägt ist durch Gewaltenteilung, Regierungsmitglieder gleichzeitig Angehörige der gesetzgebenden Institution sind. Das ist Inzest. In der Praxis heißt das, dass der Regierende sich selbst kontrolliert. Ist das demokratisch. Dieses Szenario zieht sich bis in die Kommunen. Hier ist der Chef der Verwaltung gleichzeitig Vorsitzender des Kontrollorgans, welches ihn kontrollieren soll. Ist das Rechtens? Wie sagte Montesquieu von 350 Jahren: „Es ist etwas nicht Recht nur weil es Gesetz ist, es muss Gesetz sein, weil es Recht ist.“
Wir bitten die Bürger, die Aussagen der Wahlwerbenden genauer zu hinterfragen. Nach dem Motto: Nichts glauben. Alles hinterfragen. Selbst denken. Und dann die Wahlentscheidung gut abwägen. Es stellt sich die Frage nach neuen Ideen und etwas Neues wagen.
Vielen Dank an Dieter Goldschalt für die mahnenden Worte.