Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen

Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Das war der Wahlspruch der Aufklärung. Ist es auch unser heutiger Wahlspruch. Wer will aufgeklärt sein? Wer ist aufgeklärt?

Unzählige Generationen von Schülern haben den berühmten Satz „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ auswendig lernen müssen. Ich möchte nicht versuchen Kant’s Schriften zur Aufklärung mit den Schriften und Ideen der französischen Aufklärer wie Voltaire pder Descartes zu vergleichen. Das überlasse ich den Pädagogen. Deutsche und französische Aufklärer hatten es mit unterschiedlichen Herrschaftssystemen zu tun und dies schlug sich auch in den differenzierten Äußerungen zur Aufklärung nieder.

Kant erkannte richtig (Zitat): „Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotism und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zu Stande kommen; sondern neue Vorurteile werden, eben sowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen, großen Haufens dienen.“ Kant möchte damit ausdrücken, dass eine Revolution nichts bewirken kann, wenn wir nicht unsere Denkrichtung ändern.

Sicher ein guter Punkt, dass eine Umwälzung der Herrschaftsverhältnisse nur dann nachhaltig sein und breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben kann, wenn sie mit einer geistigen Erneuerung verbunden ist. Auch uns täte eine geistige Erneuerung gut. Eine geistige Erneuerung in der Form, dass wir die  praktizierte Form des Parlamentarismus auf den Prüfstand stellen und uns fragen, wem dient dieser Parteienparlamentarismus?

Dem Staat? Dem Bürger? Sind beide zu trennen? Oder sind Bürger und Staat untrennbar eine gedankliche Einheit?

Um das zu beantworten ist es wichtig zu wissen, welche Aufgaben der Staat hat. Der Staat spiegelt das Regelwerk wieder, das eine Gruppe von Menschen sich geschaffen hat, um das Miteinander in dieser Gruppe zu regeln. Er ist keine eigenständige Institution. Die Gruppe bestimmt aus ihrer Mitte Bürger, die dieses Regelwerk umsetzen sollen. Der Staat ist also nichts weiter als ein Begriff des Vertretungsorgans der Gruppe, die sich entschlossen hat gemeinsam zu leben und zu handeln. Da wir zur Pauschalierung neigen, ist immer nur vom Staat die Rede. Dabei handelt es sich um Menschen, die diesen Staat als solchen nach außen und nach innen vertreten. Ihr Handeln ist den Mitgliedern der Gruppe von Menschen verpflichtet und nicht sich selbst. Nach Kant ist der Mensch, das Individuum, schwach und neigt dazu sich in Egoismen zu ergehen. Es besteht die Gefahr, dass der Mensch, der Bürger, die ihm übertragene Verantwortung für die Allgemeinheit zu seinen eigenem Nutzen missbraucht.

Wie ist nun die Wahrnehmung der Bürger in der heutigen Zeit? –  “Die machen doch was sie wollen!”

Wer sind Die? Es sind die da oben! Wir unterscheiden nicht mehr zwischen der Verwaltung (Exekutive) und den gesetzgebenden Organen (Legislative). Der Bürger nimmt beide nur noch als eine Institution wahr. Was ist schief gelaufen, dass der Bürger eine solche Wahrnehmung hat?

Das Grundgesetz, Art. 21,  hat den Parteien eine herausragende Stellung eingeräumt. Die Parteien sollen bei der politischen Willensbildung mitwirken. Sie sollen Bindeglied zwischen Bürger und Parlament bilden.  Auf der leidvollen Erfahrung aus der Weimarer Republik wurde dieser Grundsatz durch Parteiengesetze ergänzt und ausgeformt. Der Grundgedanke war richtig. Nur hat man nicht bedacht, dass man in dem Moment, in dem man es den Einzelbewerbern fast unmöglich gemacht hat, in das Parlament einzuziehen, den Einfluss von Parteien überhöht. Ohne Parteizugehörigkeit geht fast nichts mehr in dieser Republik. Wir nähern uns einem Parteienstaat.

Einem Parteienstaat, in dem der einzelne Bürger das Gefühl hat nichts mehr bewegen zu können. Er hat das Gefühl, dass andere, Dritte, über seine Zukunft bestimmen ohne überhaupt zu wissen, was er tatsächlich will. Er hat das Gefühl, es denken Andere für Ihn. Andere suggerieren ihm, was er zu denken hat, was er zu fühlen hat. Wer will schon fremdbestimmt sein? Was bleibt ist das Gefühl der Ohnmacht und diese geht über in Politikverdrossenheit und endet letztlich in Staatsverdrossenheit.

Der Bürger spricht von dem Staat, einer fremden Institution, zu der er keine Beziehung hat. Er hat vergessen, dass er, der Bürger, das wichtigste Element des Staates ist. Nicht die Institutionen bilden den Staat, sondern das von Bürgern geschaffene Regelwerk, das den Staat ausmacht.

Das vom Bürger geschaffene Regelwerk, das den Institutionen vorgibt zu wessen Wohl sie geschaffen wurden. Bei jeder Vereidigung von Personen, die diesen Institutionen vorstehen wird diese Eidesformel gesprochen. Sie gilt als Auftrag, als Verpflichtung. Dies haben unsere Gründungsväter in Art. 56 des GG mit der Eidesformel gesetzlich festgeschrieben. Die Eidesformel lautet:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. (So wahr mir Gott helfe.)“

Die Eidesformel spricht vom Wohle des deutschen Volkes. Sie schließt alle Bürger ein. Sie bedeutet nicht, dass man sein Handeln als Regierende/r nur auf das Wohl bestimmter Gruppen auszurichten hat. Sie bedeutet nicht, eigenständig nach eigenem Gusto zu handeln. Das Wohl der Gemeinschaft hat oberste Priorität und hat imperativen Charakter.

Nach den schlimmen Erfahrungen aus der deutschen Geschichte gibt unser GG dem Bürger, dem Volk, die Trägerschaft über die staatliche Gewalt.  Es schreibt nicht vor, dass es einer Führung durch “die da oben” bedarf.  Es schreibt die Gewaltenteilung von Legislative, Executive und Judikative vor und stattet sie mit einer Ewigkeitsgarantie aus.

Aus dem Teil der deutschen Geschichte, die man “Weimarer Republik” nennt, wollten die Väter unseres Grundgesetzes gewährleistet sehen, dass den Bürgern, dem Volk, eine stabile Regierung vorsteht. Es schrieb den Parteien eine entscheidende Rolle zu, die politische Bildung der Bürger zu fördern und zu unterstützten.

Doch was ist aus diesem hehren Grundsatz geworden. Die Parteien agieren wie ein Staat im Staate. Montesquieu hat festgestellt, dass Macht sich immer weiter ausdehnt, bis sie an Grenzen stößt. Die Vorkehrungen des Grundgesetzes zur Sicherung rechtsstaatlicher Demokratie  und zur Verhinderung von Machtmissbrauch haben die Parteien im Laufe der Jahrzehnte abgeschwächt oder ganz beseitigt.

So ist festzustellen, dass Regierungsmitglieder auch immer noch einen Sitz im Parlament innehaben. Sie sindgleichzeitig als Exekutive und Legislative tätig. Die Parteien bestimmen die Besetzung von Gerichtshöfen und unabhängigen Prüfinstanzen, wie dem Rechnungshof.

Der Bürger darf zwar frei wählen. Seine Auswahl kann er aber im Prinzip nur unter Parteien treffen. Parteiunabhängige Kandidaten haben bei dem jetzt praktizierten System kaum eine oder keine Chance in das Parlament gewählt zu werden. Würden sie in das Parlament gewählt werden, würden sie durch Geschäftsordnungsregularien  in ihrer Arbeit für den Bürger beschränkt.

Es ist ferner festzustellen, dass unsere gewählten Parlamentarier fast nur noch der Kaste der Berufspolitiker angehören. Ein repräsentativer Querschnitt aus der Bevölkerung ist nicht mehr im Parlament vertreten. Es herrscht das Berufsbild des Berufspolitikers vor, der über eine Parteikarriere ins Parlament gewählt wurde. Max Weber, hat in seiner Rede 1918 gesagt welche Eigenschaften ein Berufspolitiker haben sollte. Nach ihm sollten Berufspolitiker über drei Qualitäten verfügen. Leidenschaft, Augenmaß und vor allem Verantwortungsgefühl.

Die Parteien haben die Verantwortung und die Verpflichtung an der politischen Willensbildung des Volkes, der Bürger mitzuwirken in das Gegenteil verkehrt. Sie vertreten nur noch ihre eigene politischen Ziele. Die Parteien gleichen sich programmatisch immer mehr an. Es sind nur noch marginale Unterschiede festzustellen. Kein Wähler kann sich sicher sein, dass seine Ziele, die er meint seiner gewählten Partei zuordnen zu können, auch wirklich im Parlament vertreten werden. In Koalitionen wird nach dem Motto des geringsten gemeinsamen Nenners verfahren, des gemeinsamen Nenners aus den Parteiprogrammen. Wird eigentlich noch gefragt, was der Bürger möchte, was den Bürger umtreibt, welche Sorgen und Nöte er hat, welche Maßnahmen getroffen werden müssen um zukünftigen Herausforderungen zu begegnen?  Die Antwort lautet eindeutig nein.

Der Bürger hat das Gefühl, dass nur noch Regeln für bestimmte einflussreiche Gruppen gemacht werden. Der Bürger hat das Gefühl, dass die Macht indirekt durch das Kapital ausgeübt wird. Die gewählten Vertreter nur noch Marionetten des Kapitals sind. Politische Ziele werden von einem kleinen Kreis in Hinterzimmern vereinbart. Es wird das Postulat vertreten: Wohlstand ist nur durch Wachstum erreichbar. Diese Aussage ist aus einer vergangenen Zeit. Sie ist heute nicht mehr zeitgemäß.

Der Bürger muss wieder im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen. Ihm darf nicht nur das Gefühl vermittelt werden, es muss faktisch Realität sein.

Wie kann der Auftrag des GG wieder Priorität erreichen. Es bedarf neuer Ideen und Handlungsvorschriften, um dies wieder zu gewährleisten. Als erstes wäre es notwendig den Weg zur Entscheidung aus den Hinterzimmern in die Öffentlichkeit zu tragen. Der Bürger soll nachvollziehen können, warum und wieso eine Entscheidung getroffen worden ist.

Er kann sich selbst ein Urteil bilden. Wie hat Kant gesagt: “sapere aude! Gebrauche deinen eigenen Verstand.”

So sind hier zwei wesentliche Grundvoraussetzungen für einen Wandel, ein Reset, unserer demokratischen Grundordnung zu nennen,

  • Transparenz ist das Zauberwort. Es muss neue Bewegungen, Gruppen, Parteien geben, die sich dieser Transparenzregel verschrieben haben.
  • Basisdemokratie ist die Ergänzung in der Zauberformel einer neuen Wirklichkeit.

In den vergangenen Jahren wurden Dutzende neuer Parteien gegründet und verharren in dem Status einer Klein- oder Kleinstpartei. Die Ausnahme zu dieser Aussage ist den Umständen zuzuschreiben, nicht dem Programm.

Wenn man kleinen Parteien miteinander vergleicht bleibt eine kleine, junge Partei übrig.

Das ist DEMOKRATIE IN BEWEGUNG. Sie ist keine Einthemenpartei, sie hat sich Transparenz und Basisdemokratie in ihrer Satzung festgeschrieben. Ihr Parteiprogramm wird über ein ihr eigenes Initiativprinzip entwickelt. Das Wichtige ist an diesem Prinzip, dass es nicht nur Parteimitglieder gestalten haben. Jeder, der demokratische Grundprinzipien und den Ethikkodex anerkennt, kann hier sich mit seinem Thema gestalterisch einbringen.

Ihr Initiativprinzip wurde letztes Jahr von linken SPD-Mitgliedern in der neu gegründeten Progessiven Sozialen Plattform und jetzt von Sahra Wagenknecht mit ihrer Sammlungsbewegung #aufstehen aufgegriffen.

Es geht in die richtige Richtung. Neue Ziele zu formulieren und Visionen zu entwickeln und darauf hinzuwirken,  dass Utopien Realität werden.

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