Spahn und Vertrauen?

Im Tagesspiegel vom 14.01.2021 wurde der Minister Spahn als eines der größten politischen Talente bezeichnet. Man billigt ihm auch noch eine, wenn auch nur bescheidene Rolle bei der Kanzlerkandidatur der christlichen Kapitalistenunion zu, die fern von ihrem Ahlener Programm, als Diener des Feudalkapitalismus agiert.
Spahn´s Vita ist geprägt von Vermehrung seines Vermögens, Nutzen von Insiderwissen als Parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium und als Staatssekretär im Finanzministerium.  Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International erklärte, bereits als Bundestagsabgeordneter habe Spahn nebenbei als Teilhaber einer Lobbyagentur eine übermäßige Nähe zu Klienten aus dem Medizin- und Pharmasektor gehabt. Herr Spahn war von 2006 bis 2010 über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts an einer Lobbyagentur für Pharmaklienten namens „Politas“ beteiligt, während er gleichzeitig Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages war. Seine Abgeordnetentätigkeit und seine Arbeit als Gesundheitspolitiker in Verbindung mit seinen bezahlten Nebentätigkeiten für die Pharmaindustrie wurden in diesem Rahmen als „interessantes Geschäftsmodell“ bezeichnet, und es wurde ihm ein möglicher finanzieller Interessenkonflikt vorgeworfen. Herr Schäuble machte ihn anschließend zum Staatssekretär im Finanzministerium. Unter dem Vorsitz von Jens Spahn gründete das Bundesfinanzministerium im Jahr 2017 den sogenannten „FinTechRat“. Dieser berät das Ministerium zu Fragen der digitalen Finanztechnologie. Spahn wollte „Deutschland als FinTech-Hub Nr. 1“ in der EU etablieren.
Dies hat ihn aber nicht gehindert, dass er sich seit August 2017 neben seiner Tätigkeit als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium privat an der Pareton GmbH beteiligt hat, die eine Software für die Abgabe von Steuererklärungen entwickelte. Für den möglichen sich ergebenden Interessenkonflikt zwischen seiner Zuständigkeit für die Regulierung von Finanz-Tech-Firmen im Rahmen seiner Tätigkeit als Staatssekretär im Finanzministerium und seiner privaten finanziellen Beteiligung an einer ebensolchen Firma wurde er von Medien, Politikern und Transparency International kritisiert. Nach Angaben gegenüber der Süddeutschen Zeitung beabsichtigt er, seine Anteile zu verkaufen, sowie die als sogenannter „Business Angel“ erhaltenen staatlichen Zuschüsse in Höhe von 3000 Euro zurückzuzahlen. Zuvor räumte er ein, für seine Beteiligung diesen staatlichen Zuschuss kassiert zu haben, nachdem er als Beauftragter der Bundesregierung für Start-Ups sein Investment von 15.000 Euro in das Start-Up-Unternehmen mit lediglich beruflichem Interesse begründete. Das Finanzamt ermittelte gegen Pareton. Das Unternehmen geriet im Jahr 2015 ins Visier der Finanzverwaltung, nachdem die Steuerberaterkammer Stuttgart im Oktober 2014 bekanntgab, dass die Agentur als Steuerberatungsgesellschaft nicht anerkannt sei. In Bietigheim-Bissingen untersagte das dortige Finanzamt der Firma Hilfeleistungen in Steuersachen.

Und nun Gematik GmbH. Er hat empfohlen die Firma Gematik, die für elektronische Erfassung der Patientenakte und des E-Rezeptes von dem Spitzenverband der Krankenkassen GKV sowie den Ärzte- und Apothekerverbänden zu erwerben. Zudem verfügt der Bund nun seit 2019 über die Mehrheit an dieser Gesellschaft.
So hat er im vergangenen Jahr dem früheren Pharma-Manager und Lobbyisten Dieken zum Chef-Digitalisierer im Gesundheitswesen ernannt, mit dem ihn eine langjährige persönliche Bekanntschaft sowie ein gemeinsames Immobiliengeschäft verbindet. Beides war bisher in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Leyck Dieken hat die Wohnung 2018 ausweislich der Unterlagen für 980.000 Euro an Spahn verkauft, ein Jahr bevor er Geschäftsführer einer mehrheitlich dem Bund gehörenden Firma wurde. Wenn dann noch bekannt wird, dass die Vergütung des Herrn Dieken, dem Verkäufer der Wohnung, doppelt so hoch angesetzt wurde als die Vergütung seines Vorgängers, sollten alle Warnleuchten angehen.
Und dieser Mann spricht von Vertrauen schaffen in sein Handeln. Max Weber hat die Eigenschaften eines Berufspolitikers umschrieben mit den Attributen Leidenschaft, Augenmaß, und Verantwortungsbewusstsein. Daneben sollte er über Charisma verfügen und immer zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik abwägen können. Er sollte über ein großes Maß an praktischer Klugheit und Kultur verfügen.
Verfügt Herr Spahn über diese Eigenschaften, oder welche können ihm zugeordnet werden? Die Antwort sollte jeder für sich finden.
Wenn Herr Spahn davon spricht, dass unser (kaputtgespartes und gewinnoptimiertes) Gesundheitssystem bisher gut durch die Pandemie kam, dann sieht das so aus, dass „normale“, nicht Corona-Patienten mit einer ernsten Erkrankung von einem Krankenhaus zum anderen (kleine Krankenhäuser in einem Radius von 100 km! und manchmal noch mehr) mit dem Krankenwagen „gekarrt werden“ und sich ihr Zustand nicht bessern kann, weil sie sich Keime einfangen und oft zusätzlich Infekte und zu Guter Letzt noch Corona! Immer wieder musste ein 77-jähriger Bekannter zur Behandlung seiner Erkrankung zu Spezialisten in der Heidelberger Uniklinik und durch den Abtransport in das kleine Krankenhaus kamen lebensgefährliche Komplikationen hinzu! Das ist eine Art von Patientenkarussell! Das kam nicht nur bei dem Bekannten vor, sondern auch bei anderen Patienten!
So kann man das nicht machen! Der Mann ist jetzt schon 6 Wochen stationär untergebracht und ohne die Komplikationen wäre er längstens in Reha oder zu Hause! Und wer trägt die Kosten? Die Krankenkasse, also die Allgemeinheit!
Das Impfdebakel lassen wir mal außen vor, aber Vertrauen, nein Vertrauen kann man diesem Politiker nicht! Der Dunning-Kruger – Effekt besagt, dass die Menschen in der Hierarchie so lange aufsteigen bis sie die Stufe der Inkompetenz erreicht haben. Bei Minister Spahn ist dies offensichtlich.

Ein Artikel von Dieter Goldschalt

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